Sachbezüge bleiben bei der Lohnbesteuerung (und dem folgend auch bei der Sozialversicherung) außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 Euro im Kalendermonat nicht übersteigen.
Fraglich ist, ob dies auch gelten kann, wenn der Arbeitgeber in Höhe von 44 Euro Zuschüsse zu Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitnehmers entrichtet. Hier gehen nämlich die Meinungen auseinander.
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Finanzverwaltung diesbezüglich eine fiskalische, in diesem Fall nämlich die negierende, Meinung. Ausweislich der Verwaltungsanweisung durch den Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 10.10.2013 (Az: IV C 5 – S 2334/13/10001) sollen Beiträge des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers nicht als privilegierte Sachbezüge unter die sogenannte 44 Euro Freigrenze fallen. Der Fiskus sieht in solchen Zuschüssen keinen Sachbezug, sondern Barlohn.
Tatsächlich muss jedoch die Auffassung der Finanzverwaltung schon sehr verwundern. Was nämlich konkret ein Sachbezug ist, hat der Bundesfinanzhof in München schon mit Urteil vom 11.11.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 27/09 definiert.
Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen Sachbezüge. Auch zur Abgrenzungsfrage nimmt der Bundesfinanzhof ganz konkret Stellung: Ob Barlöhne oder doch Sachbezüge vorliegen, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, also danach, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Es kommt hingegen nicht darauf an, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber den Anspruch erfüllt und seinen Arbeitnehmern den zugesagten Vorteil verschafft.
Im zitierten Urteilsfall ging es um den Sachverhalt, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt hatte, bei einer bestimmten Tankstelle auf seine Kosten tanken zu dürfen. Darin sehen die Richter des Bundesfinanzhofs definitiv einen Sachbezug. Dies ist mittlerweile unstrittig.
Insgesamt geht die Entscheidung jedoch noch einen entscheidenden Schritt weiter: Sachbezüge liegen nämlich auch dann schon vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbindet, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden. Mit dieser Auffassung ändert der Bundesfinanzhof seine frühere Rechtsprechung.
Auf Grundlage dieser geänderten Rechtsprechung muss daher festgehalten werden, dass die Meinung der Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 11.10.2013 nicht nachvollziehbar erscheint. Und mit dieser Einschätzung stehen wir nicht alleine da. So sieht es offensichtlich auch das Finanzgericht in Mecklenburg-Vorpommern. Mit Entscheidung vom 16.3.2017 stellen die erstinstanzlichen Richter unter dem Aktenzeichen 1 K 215/16 klar, dass auch für sie der Rechtsgrund des Zuflusses entscheidend für die Abgrenzung von Bar- und Sachlohn ist.
Daher gilt: Auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist zu ermitteln, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Unerheblich ist dann nach Meinung der Richter in Mecklenburg-Vorpommern, ob der Arbeitnehmer die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber erhält, oder ob der Arbeitnehmer die Sache von einem Dritten auf Kosten des Arbeitgebers bezieht (wie es auch schon bei dem Tankstellenfall war).
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer selbst Vertragspartner des Dritten geworden ist, oder der Arbeitgeber die Sachleistung bei dem Dritten bezieht.
Folglich endet die Entscheidung aus Mecklenburg-Vorpommern mit dem Fazit, dass Sachbezüge auch dann gegeben sind, wenn der Arbeitgeber mit Zahlungen an seine Arbeitnehmer die von diesen zu zahlenden Beiträge zu einer Zusatzkrankenversicherung bezuschusst und die Arbeitnehmer diese Zahlung nur dann beanspruchen können, wenn sie eine entsprechende Zusatzkrankenversicherung abgeschlossen haben. Vergleicht man den konkreten Sachverhalt mit dem oben bereits zitierten Tankstellenfall, drängen sich die Parallelen förmlich auf.
Nur am Rande sei erwähnt, dass Sachbezüge natürlich nur insoweit vorliegen können, als die vom Arbeitgeber geleisteten Zuschüsse die von den Arbeitnehmern gezahlten Beiträge für die Zusatzkrankenversicherung nicht übersteigen.
Trotz der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der Entscheidung der Richter aus Mecklenburg-Vorpommern beharrt die Finanzverwaltung auf ihre Sichtweise: Gegen das erstinstanzliche Urteil ist die Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt worden. Unter dem Aktenzeichen VI R 16/17 müssen die obersten Finanzrichter der Republik nun ganz konkret beantworten, ob vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer ausgezahlte Zuschüsse zu deren privater Zusatzkrankenversicherung als Sachlohn unter die 44 Euro Freigrenze fallen können.
Tatsächlich spricht hier sehr viel dafür, dass der Bundesfinanzhof die fiskalische Auffassung verwerfen und auf der Linie der ersten Instanz entscheiden wird. Immerhin ist nicht nur das Finanzgericht in Mecklenburg-Vorpommern dieser Meinung. In einem vergleichbaren Sachverhalt hat das Sächsische Finanzgericht exakt ein Jahr vorher mit Urteil vom 16.3.2016 unter dem Aktenzeichen 2 K 192/16 klargestellt, dass seiner Ansicht nach Arbeitslohn auch dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer mit einem Versicherer Verträge über eine betriebliche Krankenzusatzversicherung abschließt, aufgrund derer der Arbeitnehmer als Versicherter einen unmittelbaren Anspruch auf Leistungen für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, stationäre Zusatzleistungen und Zahnersatzleistungen erlangt.
Ganz konkret führen auch hier die erstinstanzlichen Richter in Sachsen aus: Erlangt der Arbeitnehmer lediglich einen Leistungsanspruch, jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung, liegen Sachbezüge vor, die bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit außer Ansatz bleiben, wenn die Freigrenze in Höhe von 44 Euro pro Kalendermonat nicht überschritten ist.
Selbstverständlich ist die Finanzverwaltung auch gegen diese Entscheidung in Revision gegangen, welche beim Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VI R 13/16 behandelt wird.
Tipp: | Sicherlich ist man auf hoher See und (insbesondere) vor Gericht in Gottes Hand. In diesem Fall spricht aber aus unserer Sicht sehr viel dafür, dass der Bundesfinanzhof die erstinstanzlichen Entscheidungen bestätigen wird und seiner bisherigen Linie in Form der Rechtsprechung vom 11.11.2010 treu bleibt. In ähnlich gelagerten Fällen sollten Betroffene daher unbedingt Einspruch einlegen und auf die beiden anhängigen Verfahren in München verweisen. |