Mit Urteil vom 13.3.2018 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 38/16 klargestellt, dass auch dann, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die GmbH mangels Masse abgelehnt wird, der Auflösungsverlust, welcher nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuermindernd berücksichtigt werden kann, nicht zu dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht.
Dem Urteilssachverhalt lag ein Fall zugrunde, bei dem in 2011 über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Erst in 2012 wurde jedoch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse seitens des Amtsgerichtes abgelehnt. Aufgrund von Veräußerungen in 2010 hatte der Gesellschafter entsprechende Veräußerungsgewinne in 2010 von deutlich über 1 Million Euro zu versteuern. Der Auflösungsverlust der Kapitalgesellschaft war in einem ähnlich hohen Bereich, sodass der Steuerpflichtige beantragte, dass der Auflösungsverlust bereits im Jahr des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in 2011 zu berücksichtigen sei und dann mittels des Verlustrücktrages in das unmittelbar vorangegangene Jahr zurückgetragen werden könnte. Man muss insoweit kein Hochschulprofessor für Mathematik sein um zu erkennen, welch enorme Steuerersparnis dies dem Steuerpflichtigen aufgrund der einmaligen Veräußerungsgewinne in 2010 gebracht hätte.
Dennoch blieb der Bundesfinanzhof in München hart und stellte klar, dass die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft eine Stichtagsbewertung erfordert, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist. Ein Auflösungsverlust steht ganz konkret fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen. Diese Frage ist regelmäßig und ausschließlich ex ante zu beurteilen, was bedeutet, dass eine Beurteilung im Voraus stattfinden muss. Tatsächliche nachträgliche Ergebnisse, wie der Ausgang eines Insolvenzverfahrens, sind hingegen nicht (rückwirkend) zu berücksichtigen. Dies hatte bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 2.12.2014 unter dem Aktenzeichen IX R 9/14 herausgearbeitet.
Daher kommen die obersten Finanzrichter der Republik zu dem Schluss: Im Fall der Liquidation der Gesellschaft ist eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann ausgeschlossen, wenn die Liquidation abgeschlossen ist.
Darüber hinaus kann nur ausnahmsweise auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden, etwa wenn die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war, wie der Bundesfinanzhof bereits einmal in einem Urteil vom 4.11.1997 unter dem Aktenzeichen VIII R 18/94 entschieden hat. Nur in diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden.
Im vorliegenden Urteilssachverhalt wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst in 2012 mangels Masse abgelehnt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Auflösungsverlust daher nicht bereits in 2011 entstanden, da es in diesem Jahr schon an der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft fehlt.
Tipp: | In der Praxis macht die konkrete Feststellung des Berücksichtigungszeitpunktes eines Auflösungsverlustes regelmäßig Schwierigkeiten. Betroffene sollten daher dennoch grundsätzlich einen Auflösungsverlust zum frühestmöglichen Zeitpunkt in ihrer Steuererklärung angeben. Lehnt das Finanzamt diesen dann noch ab, besteht zumindest insoweit eine Art Vertrauensschutz, dass das Finanzamt nicht am Ende sagen kann, der Verlust hätte doch im besagten früheren (und dann wahrscheinlich verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren) Veranlagungsjahr berücksichtigt werden müssen. |