Steuerbüro Bachmann

Zur Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit

Ausweislich der Vorschrift des § 129 der Abgabenordnung (AO) kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Insoweit liegt eine Berichtigungsvorschrift oder auch Korrekturvorschrift auf verfahrensrechtlicher Ebene vor, die insbesondere Fehler korrigieren soll, bei denen in der Finanzverwaltung nicht materiell-rechtlich etwas falsch gelaufen ist, sondern quasi an außersteuerlicher Stelle (zum Beispiel durch ein mechanisches Versehen) etwas schief gelaufen ist. Insoweit gibt es hinsichtlich der offenbaren Unrichtigkeit in der Praxis auch den Merksatz, dass diese Berichtigungsvorschrift anzuwenden ist, wenn sich der Finanzbeamte bei dem Fehler nichts gedacht hat, also gerade keine materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhaltes vorgenommen hat.

Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch ebenso, dass bei rechtlicher Würdigung eines Sachverhaltes und eines daraus resultierenden Fehlers eine Korrektur wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO ausgeschlossen ist. Sofern daher die Möglichkeit besteht, dass der Sachbearbeiter des Finanzamts schlicht das Steuerrecht falsch angewendet hat oder von falschen Annahmen ausgegangen ist, greift § 129 AO nicht.

In der Praxis gibt es jedoch leider immer wieder Streit darüber, wann denn tatsächlich eine offenbare Unrichtigkeit gegeben ist und wann eine materiell-rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes gegeben war. Tatsächlich ist dies in der Praxis nicht immer so einfach auseinanderzuhalten.

So ähnlich war es auch in einem aktuell entschiedenen Gerichtsverfahren vor dem Finanzgericht Köln vom 14.6.2018 unter dem Aktenzeichen 15 K 271/16. Im Urteilssachverhalt hatte der Sachbearbeiter beim Finanzamt bei der Veranlagung einen ordnungsgemäß erklärten Veräußerungsgewinn im Rahmen des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfrei behandelt. Dabei sieht es so aus, dass dieser Fehler aufgrund einer falschen Angabe für die maschinelle Verarbeitung durch den Sachbearbeiter stattfand. Weil insoweit offensichtlich nur im Rahmen der maschinellen Verarbeitung eine falsche Kennzeichnung gesetzt wurde, kann an dieser Stelle (wahrscheinlich) noch von einer offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen werden. Zumindest drängt sich nichts Gegenteiliges auf.

Damit war allerdings der Sachverhalt des Streitverfahrens noch nicht beendet. In der weiteren Bearbeitung innerhalb des Finanzamtes wurde der Steuerfall nämlich als sogenannter Intensiv-Prüfungsfall gekennzeichnet, sodass weitere Prüfungen durch weitere Finanzamtsmitarbeiter vorgenommen wurden. Insbesondere wurde in einem zweiten Schritt der gesamte Veranlagungsfall (inklusive des wahrscheinlich mechanischen Fehlers des Erstsachbearbeiters) der Qualitätssicherungsstelle vorgelegt. Diese erkannte jedoch keinen Fehler und gab die Steuererklärung nach inhaltlicher Prüfung inklusive des Fehlers frei. Da es sich jedoch gerade um einen sogenannten Intensiv-Prüfungsfall handelte, wurde dieser anschließend auch noch dem Sachgebietsleiter zur abschließenden Überprüfung seiner beiden Vor-Bearbeiter vorgelegt, welcher ebenfalls eine Sichtung des Steuerfalles vorgenommen hat und diese auch durch Zeichnung dokumentierte, ohne dass Beanstandungen an dem Steuerfall vorgenommen worden wären.

Als schließlich nach Erlass des Einkommensteuerbescheides auffiel, dass die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinnes trotz der intensiven Prüfungshandlungen des Finanzamtes falsch war, berief sich das Finanzamt auf eine offenbare Unrichtigkeit, weil der erste Sachbearbeiter hier ja offensichtlich schlicht eine falsche Eingabe in der maschinellen Verarbeitung gesetzt hatte.

Dieser fiskalischen Argumentation folgte leider auch das Finanzgericht Köln mit der oben bereits zitierten Entscheidung. Danach gilt: Unterläuft dem Sachbearbeiter des Finanzamtes bei der Veranlagung ein mechanischer oder diesem gleichzustellenden Fehler, steht dessen Berichtigung nach § 129 AO als offenbare Unrichtigkeit nicht entgegen, dass dieser mechanische Fehler im Rahmen einer Intensivprüfung weder von der Sachbearbeiterin der Qualitätssicherungsstelle noch vom Sachgebietsleiter bemerkt wurde.

Aus unserer Sicht muss das Urteil als falsch beurteilt werden, da es außer Acht lässt, dass sowohl durch die Sachbearbeiterin der Qualitätssicherungsstelle als auch durch den Sachgebietsleiter weitere Prüfungen durchgeführt wurden, welche nur mit einer rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes möglich sind.

Dennoch folgert das Finanzgericht Köln: Der Umstand, dass der Steuerfall von drei Personen geprüft wurde (oder hätte geprüft werden sollen) und die dem Veranlagungsbearbeiter nachfolgenden Bearbeiter bzw. der Sachgebietsleiter den Fehler nicht entdeckt haben, lässt weder die Offenbarkeit des Fehlers entfallen noch ist hierdurch ein mehr als theoretisch denkbarer Fehler in der rechtlichen Würdigung (oder gleichgestellter Fehler) anzunehmen.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des Finanzgerichtes Köln empörend. Nicht nur die Tatsache, dass trotz Qualitätssicherungsstelle und abschließender Sichtung der Sachgebietsleitung im Finanzamt offensichtlich qualitativ mindere Arbeit geleistet wird ist empörend, vielmehr soll am Ende auch noch der Steuerpflichtige (der in seiner Einkommensteuererklärung alles richtig gemacht hat) der Dumme sein.

So ist es zwar vorstellbar, dass auch bei einer Prüfung durch drei Personen allen drei Personen der selbe Fehler unterläuft, allerdings muss dann vorausgesetzt werden, dass sowohl auf der Ebene der Qualitätssicherung als auch auf der Ebene der Sachgebietsleitung eine materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhaltes stattgefunden hat. In diesem Fall liegt keine offenbare Unrichtigkeit mehr vor, da unterstellt werden muss, dass sich beide bei der Würdigung des Falles etwas gedacht haben. Weiterhin ist es schlicht im vorliegenden Verfahren nicht möglich, dass sowohl auf Ebene des Erstsachbearbeiters als auch auf Ebene der Qualitätssicherung und der Sachgebietsleitung ein mechanischer Fehler unterlaufen ist, da dieser aufgrund des Prozesses nur dem Erstsachbearbeiter unterlaufen konnte. Die weiteren Instanzen der Prüfung haben insoweit keine Möglichkeit, eine falsche Eingabe zu machen, sondern sollen eben gerade die Eingaben der vorherigen Instanz überprüfen. Mit Abzeichnung und Freigabe geben sie schließlich zu erkennen, dass im vorliegenden Sachverhalt aufgrund ihrer fachkundigen Würdigung kein Fehler vorhanden ist. Die Prüfungen sind insoweit in keinster Weise eine irgendwie mechanische Tätigkeit.

Tipp: Erfreulicherweise (und auch zwingend notwendigerweise) ist gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichtes Köln die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 23/18 anhängig. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof hier keine ergebnisorientierte und fiskalische Sicht der Dinge an den Tag legt, sondern auch erkennt, dass, selbst wenn eine Prüfung der Qualitätssicherung und der Sachgebietsleitung tatsächlich nicht bzw. nur ungenügend stattgefunden haben, diese dennoch in vollständigem Maße unterstellt werden muss. Andernfalls würde das gesamte System ad absurdum geführt werden.