Ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird bei der Gewährung von Kindergeld noch berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind allerdings nur noch berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder eine geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist dabei unschädlich.
Für die Praxis ist es also von erheblicher Bedeutung, ob eine mehraktige Erstausbildung gegeben ist, oder ob der weitere Teil eines Ausbildungsverlaufs bereits als zweite Ausbildung anzusehen ist.
Im vorliegenden Streitfall hatte die Tochter des Klägers nach dem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten angetreten, welche sie auch beendete. Im Anschluss daran nahm sie eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb auf. Drei Monate später meldete sie sich bei einer Fachhochschule für Wirtschaft bei der Fachrichtung Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Steuern in Teilzeitform an. Für das darauffolgende Schuljahr bekam sie eine Zusage. Im nächsten Jahr wechselte die Tochter die Arbeitsstelle und arbeitete dort zunächst Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Erst im Spätsommer darauf reduzierte sie ihre Stunden und nahm die Ausbildung an der Fachhochschule für Wirtschaft auf.
Da die Eltern in diesem Zusammenhang von einer mehraktigen Erstausbildung ausgingen, begehrten sie für den gesamten Zeitraum das Kindergeld. Sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht lehnten jedoch den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab, da sie der Meinung waren, dass sich die Tochter bereits in einer Zweitausbildung befunden habe und insoweit einer für Kindergeldzahlungen schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Mit Urteil vom 11.4.2018 bestätigte der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen III R 18/17 leider sowohl die Rechtsprechung der Vorinstanz als auch die Meinung des Finanzamtes. Ausweislich der vorgenannten Entscheidung gilt daher: Setzt ein Kind nach Beendigung der Ausbildung zum Steuerfachangestellten seine Berufsausbildung mit dem weiterführenden Berufsziel „Staatlich geprüfter Betriebswirt“ und „Steuerfachwirt“ nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt fort, handelt es sich bei der nachfolgenden Fachschulausbildung um eine Zweitausbildung im Sinne der gesetzlichen Regelung. In diesem Fall schließt eine mehr als 20 Wochenstunden umfassende Erwerbstätigkeit während der Zeit des Wartens auf den Antritt der Fachschulausbildung und während deren Durchführung einen Kindergeldanspruch aus.
Exkurs: | Für die Praxis ist daher für den Erhalt des Kindergelds bei einem volljährigen Kind von entscheidender Bedeutung, ob es sich noch um die gegebenenfalls mehraktige Erstausbildung oder doch um eine Zweitausbildung handelt. Wie enorm groß diese Gesamtproblematik in der Praxis tatsächlich ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass noch weitere Verfahren zur dieser Thematik vor dem obersten Finanzgericht der Republik anhängig sind.
So prüft in diesem Zusammenhang beispielsweise der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 2/18, ob es sich bei der nach Abschluss der Ausbildung zur Bankkauffrau anschließenden Fortbildung zum Staatlich geprüften Betriebswirt um eine mehraktige Erstausbildung oder um eine Zweitausbildung handelt. Der Ausgang entscheidet auch hier darüber, ob Kindergeld gezahlt wird oder nicht. Unter dem Aktenzeichen III R 32/17 wird weiterhin geprüft, ob eine mehraktige Berufsausbildung gegeben ist, wenn zunächst die Prüfung als Elektroniker im Februar abgelegt und im Dezember desselben Jahres zum nächstmöglichen Zeitpunkt die weiterführende Ausbildung zum Industriemeister der Elektrotechnik begonnen wird. Weitere, hier nicht genannte Anhängigkeiten sind dabei (insbesondere auch in Zukunft) durchaus denkbar, weshalb Betroffene sich bei einem ablehnenden Kindergeldbescheid gut informieren sollten. |